Inselzellentransplantation

Drei Milliliter sind es, die Typ-1-Diabetiker von Menschen mit intaktem Stoffwechsel unterscheiden. Dies ist etwa das Zellvolumen, das übrig bleibt, wenn aus einer 70 bis 100 Gramm schweren Bauchspeicheldrüse die insulinproduzierenden Beta-Zellen isoliert werden - jene Zellen, die beim Typ-1-Diabetiker durch autoimmune Reaktionen zugrundegegangen sind.
Bis zum Jahr 2000 sind weltweit bei 355 Patienten Inselzelltransplantationen vorgenommen worden.
Allein in Gießen sind es bis jetzt 76 Transplantationen, so Professor Reinhard Bretzel von der Universität Gießen beim Deutschen Ärztekongreß in Berlin. Bisher werden nur schwerstkranke Patienten dafür ausgewählt, Diabetiker nach vorangegangener Nierentransplantation. In einem aufwendigen Verfahren werden die Zellen aus einem Spenderorgan isoliert und per Katheter in die Leber gespritzt.
Die Einjahres-Überlebensrate liege bei 96 Prozent, sagte Bretzel. Das seien immerhin mehr, als Diabetiker an der Dialyse überleben. Jedoch sterben in den ersten drei Monaten etwa die Hälfte der transplantierten Zellen wieder ab. Ein gigantischer Verlust, wenn man bedenkt, daß je Kilogramm Körpergewicht mindestens 6000 Inseln transplantiert werden müssen.
Jede Insel enthält etwa 2000 Zellen, wovon 80 Prozent Beta-Zellen sind, die das Insulin produzieren. Ursache für das Zellsterben sind nach Angaben von Bretzel immunologische und Entzündungsreaktionen.
Völlig frei von exogener Insulin-Zufuhr wird nur jeder zehnte Patient. Und das oft auch nur vorläufig.

Vorteile auch, wenn Patienten abhängig von Insulin bleiben

Doch selbst wenn keine vollständige Insulin-Unabhängigkeit erreicht wird und nur wenige Zellen in der Leber anwachsen, nutzt der Eingriff den Patienten, wie Bretzel und seine Kollegen mit einer Mailänder Arbeitsgruppe herausbekommen haben. So normalisiert sich die hepatische Glukoseproduktion ebenso wie der Lipid- und Proteinmetabolismus.

Die Forscher haben mehrere Probleme zu lösen, um Fortschritte zu erzielen.
Ein Problem sind die Immunsuppressiva, auf die man angewiesen ist. Klassische Immunsuppressiva sind diabetogen: 5 mg Kortison bedeuten, daß das Organ doppelt soviel Insulin produzieren muß als normalerweise.
Ein weiteres Problem: Die Immunsuppressiva verhindern offenbar nicht, daß Autoantikörper die implantierten Inselzellen erneut zerstören. Künftig soll die immunsuppressive Therapie durch andere Verfahren ersetzt werden, die den Untergang der transplantierten Inselzellen verhindern. Allerdings sind derartige Versuche bisher gescheitert.
Moderne Immunsuppressiva sind zwar weniger diabetogen.
Doch eine dauerhafte Immuntoleranz des Empfängers für das neue Organ konnte noch nicht erzeugt werden.