„Viel Lärm um nichts“ – Hyperakustiker

Immer – egal wo wir sitzen, stehen oder schlafen – es ist Lärm um uns: Das Rollen der Waschmaschine oder das Piepen der Vögel im Baum. Und gibt es einmal gar kein Geräusch um uns, was fast nur in der australischen Steppe – 200 Kilometer entfernt von jeglicher Zivilisation – möglich ist, dann laufen wir nach kurzer Zeit zum Auto und machen das Radio an. Jedenfalls berichten das Menschen, die dort einmal waren und die Stille suchten. Denn: Geräusche dienen auch der Orientierung. Sie haben Raum, der sie reflektiert und dadurch produziert. Und den braucht die menschliche Wahrnehmung nun einmal. Auch wenn der Lärm auf einem erträglichen Pegel gehalten werden muss. Das Gute an dem allgegenwärtigen Geräuschen: Vieles hören wir nicht; wir blenden es einfach aus. Das haben wir im Laufe der Evolution gelernt. Denn wenn alle Geräusche mit der gleichen Intensität in unser Gehirn gelangen würden, das wäre nicht auszudenken. Jeder Hörgeräte-Träger kann ein Lied davon singen. Auch hat uns die Evolution glücklicherweise mit Mechanismen ausgestattet, die bei gefährlichen Tönen alarmieren: Das Blaulicht in weiter Ferne nehmen wir nicht bewusst wahr. Kommt es näher, dringt es in die bewussten Sphären vor und wir fahren rechts ran oder springen an den Straßenrand. Diese Fähigkeit zwischen guten und bösen Tönen zu unterscheiden fehlt den Hyperakustikern. Die Hyperakusis, eine Tonüberempfindlichkeit. Eigentlich kann jeder Ton mit seiner Lautstärke bemessen werden – die Einheit sind Dezibel, aber das ist nur die wissenschaftliche Definition. Und was so akademisch klingt, wird schnell unerträglich für die Betroffenen. Denn ein Hyperakustiker empfindet einen eigentlich „normalen“ Ton plötzlich als unerträglich laut. Solche Menschen trauen sich nicht auf die Straße, weil der Verkehrslärm sie ungefiltert trifft und gehen schlimmstenfalls nicht mehr aus dem Haus, weil jegliche Form von Schall sie einfach nur krank macht. Das heißt, Hyperakustiker nimmt auch die „unwichtigen“ Geräusche“ besonders stark oder zumindest gleichberechtigt wahr. Dabei ist entscheidend, welche Bedeutung oder welchen Stressfaktor er dem Ton persönlich beimisst. Die Ursachen Die können zum einen psychisch sein. Denn häufig ist bei Menschen, die stark unter Stress stehen zu beobachten, dass sie höchst empfindlich auf einen Ton aus ihrer unmittelbaren Arbeitsumwelt reagieren. Musiker können ihr Instrument „nicht mehr hören“, weil sie Angst vor dem Auftritt haben, einem Taxifahrer gellt das Hupen der anderen in den Ohren, weil er dringend einmal Urlaub bräuchte. Anders verhält es sich bei einer Form, die in Zusammenhang mit einer speziellen Schwerhörigkeit auftritt. Hier kommt es durch die organischen Veränderungen, die die Schwerhörigkeit bedingen, zu folgendem Phänomen: Der Betroffene hört leise Töne nicht, laute dafür umso stärker. Die Behandlung Neben dem Fakt, Stress abzubauen und sich ausreichend zu entspannen haben sich Therapien, die die Wieder-Gewöhnung an die belästigenden Töne fördern, als hilfreich entpuppt. Der Geschädigte muss wieder lernen, welche Töne wichtig und welche unwichtig sind. Dazu wird in einem ersten Schritt die Angst vor dem persönlich „Hasston“ abgebaut und die Patienten werden schrittweise an diese Geräusche und entsprechenden Geräuschpegel wieder herangeführt. Häufig helfen auch Psychotherapien – entweder unterstützend oder initial. Unterstützt werden kann die Behandlung auch durch Rauschgeräte, die in der Tinnitus-Behandlung eingesetzt werden: Dadurch können die unliebsamen Geräusche unterdrückt werden. Grundsätzlich stehen die Chancen auf eine Heilung sehr gut.