Von Mäusen und Menschen

Es ist bekannt, dass bestimmte soziale Faktoren das Entstehen von Alkoholismus begünstigen. Zerrüttete Familienverhältnisse, soziale Isolation oder Schüchternheit verstärken die Wahrscheinlichkeit des späteren Griffs zur Flasche.

Doch jüngste Tierexperimente zeigen, dass die Alkoholsucht nicht gänzlich auf ungünstige Umwelteinflüsse zurückzuführen ist. Anscheinend gibt es Gene, die das Verlangen nach Alkohol steigen lassen. Zu einem gewissen Grad kann man also davon ausgehen, das eine Tendenz zur Sucht vererbt wird.

Zu diesem Ergebnis kam man mittels der Beobachtung von Mäusen. Die Forscher verglichen das Trinkverhalten normaler Mäuse mit dem einer eigens gezüchteten Rasse. Letztere, welche man als „C 57-Mäuse“ bezeichnete, besaßen einen besonderen Neurotransmitterhaushalt. Man testete das Trinkverhalten, indem man Nager beider Rassen zwischen Alkohol und Wasser wählen ließ.

Beim Versuch gab man den Tieren dazu ausreichend Nahrung und installierte zwei Saugflaschen am Käfig. Eine enthielt Alkohol, eine Trinkwasser. Die Wissenschaftler beobachteten Erstaunliches: Während alle anderen Mäuse das Wasser bevorzugten, tranken die C57–Mäuse Alkohol. Das ging so weit, bis die Tiere torkelten.

Die Erklärung für ihr Verhalten liegt, wie erwähnt, im Vorkommen ihrer Neurotransmitter. Die Ausschüttung des Botenstoffs Dopamin bereitet Glücksgefühle. Mäuse der 57-Gruppe besitzen ein Gen, das für die Dopaminkontrolle zuständig ist, in geringerer Form. Daher ist auch ihr Dopaminspiegel niedriger als bei ihren alkoholablehnenden Artgenossen. Durch Drogenkonsum, wie etwa dem Genuss von Alkohol, wird die Ausschüttung des Botenstoffes verstärkt.

Demnach könnte ein genetisch bedingter Mangel auch bei uns Menschen die Neigung zur Sucht verstärken. Allerdings ist umstritten, ob dieser Zusammenhang das Entstehen von Alkoholismus vollständig erklärt. Fest steht, dass Gene weder Mäuse noch Menschen automatisch zu Antialkoholikern oder Suchtkranken machen. Ihr Vorhandensein bestimmt nur die Tendenz. Alkoholismus per se ist nicht genetisch verankert. Nur die Disposition wird ererbt. Und die Lebensumstände können diese angeborene Veranlagung natürlich verstärken oder hemmen.