Antibiotika werden oft falsch eingenommen

Die einstige Wunderwaffe Antibiotika wird stumpf ‑ das ist nicht ganz neu, aber das macht es auch nicht besser. Die Medikamente werden in Deutschland zu häufig verordnet und dann vom Patienten oft zusätzlich falsch eingenommen, das meldete kürzlich das Magazin ‚Readers Digest’. Das traurige Ergebnis: Die Wirkung der Arzneien lässt nach. „Wir stehen am Anfang einer gefährlichen Entwicklung“, sagte Wolfgang Witte, Mikrobiologe am Robert-Koch-Institut gegenüber dem Magazin. Auch andere Experten sehen diese Entwicklung kritisch: Besonders robuste Bakterien seien längst resistent geworden gegen die gängigen Medikamente.
Die Zahlen
Jährlich wurden in Deutschland zuletzt Antibiotika im Gesamtwert von rund 750 Millionen Euro verordnet. Errechnet man da den Durchschnitt, scheint die Zahl praktisch unmöglich zu sein: Etwa fünf Tagesdosen entfallen demnach auf einen 20- bis 40-Jährigen.
Immerhin sind etwa 400 Präparate erhältlich, viele Mittel wirken gegen verschiedene Erreger. Aber wie das oft so ist, die Menge macht es nicht. „Die Ärzte verschreiben zu viele Antibiotika“, kritisiert Umweltmediziner Franz Daschner von der Universität Freiburg, 30 bis 50 Prozent aller Verordnungen in Klinik und Praxis seien überflüssig. Auch die Patienten sind nicht ganz unschuldig an dieser Entwicklung: „Sie haben eine zu hohe Erwartungshaltung gegenüber ihren Ärzten und möchten, dass der Doktor sofort etwas verschreibt.“
Immunmachung
Einer der wohl meist gemachten Fehler: Die Verordnung von Antibiotika bei Erkältungen. Denn solche Infekte meist durch Viren ausgelöst sind, die Wirkstoffe können also gar nichts ausrichten. Hinzu kommt oft die falsche Behandlungsdauer – entweder zu lang oder zu kurz. Und eigentlich sind die Dosen und die Behandlungsdauer genau erprobt und festgelegt. Zudem hören Patienten manchmal mit der Behandlung zu früh auf, weil es ihnen wieder besser geht. Hier die Crux: Nicht alle Erreger wurden vernichtet. Und die, die überlebt haben, beginnen, sich immun gegen den Wirkstoff zu machen.
Und so funktioniert die Immunmachung – die Überlebensstrategie der Bakterien: Solche Keime, die die Dosis Antibiotikum überlebt haben, vermehren sich besonders schnell und erzeugen so Bakterienformen, die nicht mehr empfindlich auf die Wirkstoffe reagieren. „Das sind lebendige Wesen, die sich eben wehren“, erklärt Helga Rübsamen-Waigmann, Chemikerin bei der Bayer AG.
Einige südeuropäische Länder gehen noch sorgloser mit der Gabe von Antibiotika um und sie haben auch schon Riegen resistenter Keime gezüchtet. Teilweise sind die Medikamente sogar rezeptfrei in Läden käuflich. So sinkt die Macht der Antibiotika stetig.
Was tun?
Mediziner aus ganz Europa fordern daher Maßnahmen, um der Ausbildung solcher Resistenzen zu begegnen: Mediziner und Patienten sollen mehr über den richtigen Antibiotika-Einsatz aufgeklärt werden. Die Hygiene müsse sich weiter verbessern und gegen die Impfmüdigkeit sollen Konzepte her. Denn um gar nicht erst krank zu werden, könnten Impfungen helfen ‑ vor allem gegen Infektionskrankheiten wie Tetanus, Diphtherie und Lungenentzündung.