Medikamentenabhängigkeit - ein Problem

Rund 1,5 Millionen Deutsche sind nach Angaben der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) medikamentenabhängig. Etwa genauso viele Menschen sind alkoholabhängig. Doch im Gegensatz zum Alkoholismus ist die Suchtproblematik bei Arzneimitteln viel weniger bekannt. Das Problem: Medikamentenabhängigkeit ist eine stille Sucht. Außenstehende können die Situation oftmals nur schwer erkennen, wenn sich der Medikamentenabhängige nicht selber offenbart. Die Apotheker in Nordrhein machen deshalb auf die Gefahren der Medikamentenabhängigkeit aufmerksam.
Verletzte Psyche
„Es gibt verschiedene Medikamentengruppen, die süchtig machende Stoffe enthalten“, erklärt Werner Heuking, Pressesprecher der Apotheker in Nordrhein. „Dazu zählen Schmerz-, Husten-, Schlaf-, Beruhigungs- und Aufputschmittel.\" In vielen süchtig machenden Präparaten seien so genannte Benzodiazepine enthalten. Sie finden sich nach Angaben von Heuking in verschreibungspflichtigen Medikamenten zur Regulierung von Schlafstörungen oder zur Behandlung von Erregungs- und Angstzuständen.
Jahrelange Überforderung, schmerzhafte Krankheiten, aber auch lebensspezifische Umbrüche und soziale Veränderungen können dazu führen, verstärkt Medikamente einzunehmen. Gefährlich werde es, wenn Patienten zu Pillen greifen und glauben, sie kommen ohne diese nicht mehr aus. Diese psychische Abhängigkeit könne zum Beispiel bei langjährigem Missbrauch durch Kopfschmerz- oder Schlafmittel entstehen.
Auch Schnupfensprays
„Selbst Schnupfensprays können bei falscher oder zu langer Anwendung zu einer Abhängigkeit führen\", sagt der Pressesprecher. Eine körperliche Abhängigkeit könne dagegen bei Substanzen entstehen, die unter anderem in Schmerztabletten, Schlafmitteln oder Beruhigungsmitteln enthalten seien, so Heuking. Der Körper reagiere dann beim Absetzen des Wirkstoffes mit Entzugserscheinungen. Die Symptome einer Abhängigkeit seien vielfältig. „Dazu zählen unter anderem Gedächtnisstörungen, Müdigkeit und Reaktionsverzögerungen, zum Beispiel beim Autofahren.“ Abhängige auf Entzug litten unter Angstzuständen, Schwindelgefühlen oder Muskelzittern.
Gefährlicher Trend
Die Apotheker in Nordrhein haben in der Vergangenheit einen gefährlichen Trend zur Medikamentalisierung ausgemacht, der bereits im Kindesalter beginne. „Aus falsch verstandener Zuwendung besorgen Eltern ihren Kindern Präparate, damit sie die schulischen Anforderungen bewältigen können“. Auf diese Weise könne sich das Leistungsverhältnis nur schwer an den persönlichen Grenzen orientieren. Und Heuking warnt: „Arzneimittel sind nun einmal keine Konsumgüter\". Sie sollten nur vorgegebener Empfehlungen von Arzt und Apotheker eingenommen werden. Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen rechnet damit, dass die Zahl der Medikamentenabhängigen steigen wird. Grund sei die zunehmende Selbstmedikation über Internetapotheken und andere Anbieter im Internet.
Hilfe für Medikamentenabhängige
Wer bei einem Angehörigen, Freund oder Bekannten nach einer längeren Medikamenteneinnahme deutliche körperliche und seelische Veränderungen feststellt, sollte auf professionelle Hilfe hinweisen. Als erste Anlaufstelle bieten sich die Apotheker an. An sie kann man sich jederzeit vertrauensvoll wenden. Weitere Hilfestellungen bieten Ärzte, Sucht- und Psychotherapeuten, aber auch Suchtberatungsstellen oder Selbsthilfegruppen.