Mediterrane Diät auch bei Rheuma

Hausärzte kennen das: Immer wieder fragen Patienten, und besonders solche mit chronischen Erkrankungen, nach Ernährungstips, die ihre Symptome lindern können. Handelt es sich um Patienten mit rheumatoider Arthritis, ist es nicht falsch, zu einer mediterranen Ernährung mit Oliven- oder Rapsöl, viel Fisch, Geflügel, Gemüse und Obst zu raten. Denn schwedische Forscher haben jetzt belegt, daß diese Kranken mit der Diät weniger Beschwerden haben.
Klar, daß in der Praxis aber dann doch alles etwas anders laufen kann als es unter Studienbedingungen der Fall ist.

Folge kann sein, daß Patienten enttäuscht sind, die sich engagiert an die Diät-Empfehlungen halten, aber keine Verbesserung ihrer Beschwerden erfahren. Hausärzte sollten deshalb bei Gesprächen über die mediterrane Diät auch diese Möglichkeit erwähnen und eine Enttäuschungs-Prophylaxe betreiben.
Ein kleines prophylaktisches Trostpflästerchen kann dabei sein, die Patienten darauf hinzuweisen, daß sie von der Diät profitieren, auch wenn die Rheuma-Beschwerden vielleicht nicht gelindert werden. Denn für die mediterrane Diät wurde inzwischen unter anderem in einer Studie von der Universität Umeå belegt, daß sie die KHK-Mortalität senkt.

Antikörper stoppen den Schmerz im Kreuz

Gerd F. will nach dem Einkauf nur schnell noch die Kiste Mineralwasser in den Kofferraum stellen. So wie jeden Samstag: mit gekrümmtem Kreuz und durchgedrückten Beinen und im krassen Widerspruch zu den Empfehlungen wohlmeinender Physiotherapeuten („mit geradem Rücken in die Hocke gehen"). Dafür gibt es an diesem Samstag die Quittung. Gerd F. schreit vor Schmerz, als er das Wasser ins Auto hievt. Wenige Stunden später kann sich der 38-Jährige kaum noch rühren.
Das rechte Bein fühlt sich zudem taub an. Bandscheibenvorfall, lautet das Urteil seines Orthopäden, den er zwei Tage später unter größten Mühen und doppelter Dosis Schmerztabletten aufsucht.
Bandscheibenvorfälle treten bevorzugt an der Lendenwirbelsäule auf, deutlich seltener am Hals und kaum an der Brustwirbelsäule. Opfer sind in aller Regel Männer und Frauen zwischen 30 und 50. Jahrelang haben ihre Bandscheiben den Belastungen des Alltags standgehalten. Immerhin: Wer eine Kiste Wasser hochhebt, selbst in vorbildlicher Haltung aus den Knien heraus, belastet die Faserringe in der Lendenwirbelsäule mit mehr als 250 Kilo. Kein Wunder, dass das Biomaterial irgendwann ermüdet. Eine winzige, aber falsche Bewegung sorgt dann dafür, dass der Gallertkern der Bandscheibe, der wie ein Puffer zwischen den Wirbeln liegt, verrutscht und gegen Nerven drückt.
Das kann extrem schmerzhaft sein. Bis vor wenigen Jahren gingen die Mediziner davon aus, dass diese Schmerzen durch den mechanischen Druck auf den Ischiasnerv verursacht würden. Das stimmt aber offenbar nur zum Teil.
„Der Druck spielt nicht die Hauptrolle. Entscheidend sind vielmehr bestimmte Immunbotenstoffe, die in der Umgebung des Nervs durch den Druck freigesetzt werden", erklärt Professor Dr. Peter Wehling, Orthopäde aus Düsseldorf. Diese körpereigenen Immunstoffe, darunter der Tumor-Nekrose-Faktor alpha (abgekürzt TNF-alpha) und Interleukin 1 (IL-1), sorgen für Entzündungen an der Nervenwurzel; sie schwillt an und signalisiert dem Gehirn „Schmerz".

Tierexperimente von Wehling und schwedischen Forschern belegen diese Annahme: Ratten, denen man TNF-alpha und IL-1 in die Nervenwurzeln spritzte, entwickelten kurz darauf die typischen Symptome und Schmerzen eines Bandscheibenvorfalls. „Umgekehrt konnten wir bei den Versuchstieren zeigen: Wenn man den Immunstoff mit Hilfe von Antikörpern blockiert, verschwinden die Symptome sehr schnell", sagt Professor Wehling.
Dieses Prinzip macht sich die Medizin bei der Behandlung chronisch entzündlicher Erkrankungen bereits seit einigen Jahren zunutze. Die Substanz TNF-alpha spielt beispielsweise bei rheumatoider Arthritis eine Schlüsselrolle.

Bei dieser Krankheit werden TNF-Blocker erfolgreich eingesetzt. Bei Patienten mit Morbus Bechterew helfen die Antikörper ebenfalls, wie eine deutsche Studie an 70 Patienten eindrucksvoll belegte. Auch Morbus Crohn, die in Schüben verlaufende chronisch entzündliche Darmerkrankung, lässt sich mit Hilfe von Anti-TNF wirksam behandeln.
Dass der im Labor hergestellte Antikörper aber auch bei Bandscheibenvorfall hilft, ist eine neue Erkenntnis.
Erste Hinweise auf diese Wirkung lieferte im vergangenen Jahr eine finnische Arbeitsgruppe der Universität Helsinki, als die Mediziner rückenlädierten Patienten das Mittel spritzten und diese in kürzester Zeit wieder schmerzfrei waren.
Die Wirkung zeigte sich bei immerhin 80 Prozent der Behandelten. Dieses Ergebnis bestätigte jetzt eine Pilotstudie von Professor Wehling, der die Wirkung von Anti-TNF in der Düsseldorfer Praxis und Klinik für Orthopädie und Neurochirurgie bei 20 Patienten überprüfte. Zehn von ihnen erhielten das Mittel als Injektion unter Röntgenkontrolle direkt in die Nervenwurzel; bei den anderen sickerte der Antikörper als Infusion in den Blutkreislauf. Das Ergebnis sei bei beiden Varianten „frappierend gut", so Wehling.


Zu den Patienten der Pilotstudie gehört die 78-jährige Inge Hain, die seit Jahren mit den Folgen von zwei massiven Bandscheibenvorfällen zu kämpfen hat. Mit Schmerz- und Cortisonspritzen, Physiotherapie und Schwimmen kämpft sie immer wieder gegen die Schmerzen an. Vor zwei Wochen aber ging überhaupt nichts mehr. Die Schmerzen waren unerträglich, das rechte Bein bis in die Fußspitze taub. „Zwei Krankenpfleger mussten mich auf die Liege heben. Ich konnte mich nicht rühren", erzählt die Rentnerin. Dann erhielt sie zwei Stunden lang eine Infusion mit Anti-TNF. Direkt im Anschluss wollte sie zur Toilette. „Ich bin ohne zu überlegen aufgestanden und losmarschiert und habe ganz vergessen, dass ich gerade vorher schlimmste Beinschmerzen hatte. Die waren weg", sagt sie und ist noch immer überrascht über die Spontanheilung, wie sie es nennt. Auch Gerd F., der 38-jährige Wassereinkäufer, ging nach der Infusion kerzengerade aus der Praxis und hatte bisher keinen Anlass wiederzukommen.
Denn offenbar ist die Wirkung von Anti-TNF nachhaltig. Darauf weisen die Ergebnisse der finnischen Forscher hin. Demnach waren 80 Prozent der Studienteilnehmer nach einer einmaligen Anti-TNF-Infusion mindestens ein Jahr lang frei von Beschwerden.
Die lokale Injektion von Anti-TNF, für Patienten mit chronischem Bandscheibenvorfall gedacht, kostet acht Euro. Die Infusion mit 100fach höherer Wirkstoffmenge soll beim akuten Bandscheibenvorfall schneller helfen als die lokale Injektion und kostet rund 1600 Euro. Der Vorteil beider Antikörper-Anwendungen, so Wehling: „Kostenintensive Operationen und langfristige konservative Therapien werden reduziert, denn der Heilungsprozess wird sehr beschleunigt und die Zahl der Krankheitstage verkürzt." Fest steht: Wirbelsäulenleiden sind die häufigsten und teuersten Erkrankungen im deutschen Gesundheitswesen. Jährlich lassen sich 100.000 Männer und Frauen an der Bandscheibe operieren. Allein 50 Prozent der Rentenanträge werden wegen Bandscheibenerkrankungen gestellt.